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Was wir von der Natur lernen können

Naturmensch-Gespräch mit Michi Schreiber


In diesem Naturmensch-Gespräch ist Michi Schreiber mein Gast. Michi ist Tierschützerin, Autorin und Coach. Nachdem sie 2015 nach ihrem Abitur in Südafrika als Freiwilligenhelferin mit Affen (Primaten), Löwen und Elefanten mitgewirkt hat, hat sie 2020 ein eigenes Unternehmen gegründet, welches anderen Menschen ermöglicht, selbst als Freiwillige im Wildtierschutz aktiv zu werden. 2022 hat sie ihr erstes Buch «Unbändig» veröffentlicht, welches zu einem Spiegel-Bestseller wurde. Michi hat in Oxford «Primate Conservation» studiert und baut jetzt gemeinsam mit ihrem Mann eine eigene Auffangstation für Primaten auf. Die Vision dahinter ist es, möglichst vielen Tieren ein Leben in Freiheit zu schenken und sichere Lebensräume für sie zu schaffen. Ihr Wissen über die Natur verbindet sie mit Persönlichkeitsentwicklung, weshalb ich mich unter anderem so sehr freue mit Michi zu sprechen. Denn Michis Ziel ist es, dass die Menschen sich wieder mit der Natur und den Tieren verbinden, um zurück zu ihrem Ursprung zu finden und gemeinsam für den Erhalt unserer Erde einzustehen.


In diesem Gespräch lernst du...


... wie wir wieder Teil der Natur und des Ökosystems werden können.

... warum Manguste und Nashornvogel so gut zusammen arbeiten.

... was wir von der Natur und den Tieren fürs Leben lernen können.

... welche Geschichten wir von nun an über die Natur erzählen sollten.

... und so viel mehr!


Naturmensch Gespräch mit Michi Schreiber

Hallo Michi, schön, dass du da bist. Ich nenne meine Arbeit ja spirituellen Naturschutz und deswegen finde ich es so spannend, mit dir sprechen zu dürfen, denn deine Arbeit geht ja genau auch in diese Richtung. Du verbindest Spiritualität und persönliches Wachstum mit Tierschutz. Lass uns doch hier beginnen. Wie passen diese zwei Themen für dich zusammen?

 

Diese Frage habe ich mir am Anfang natürlich auch gestellt. Ich dachte: Ich interessiere mich sehr für persönliches Wachstum und Wohlbefinden, auch wie ich ein besseres oder entspannteres, schöneres, glücklicheres, erfüllteres Leben führen kann und eben auch für Tierschutz. Auf den ersten Blick hat man das Gefühl, dass diese beiden Themen sehr weit auseinander liegen, bis man merkt, dass eigentlich sehr viel von unserem eigenen Wohlbefinden, und wenn es uns nicht gut geht, damit zu tun hat, dass wir nicht mehr natürlich, nicht mehr naturverbunden, nicht mehr in Verbundenheit mit den Tieren leben. Das wurde mir erstmal sehr deutlich durch die Tiere gespiegelt: Wie geht es mir, wenn ich mit den Tieren arbeite, wenn ich viel in der Natur bin, wenig in der online Welt, sondern viel offline und präsent lebe? So wurde mir bewusst, dass Natur-, Tier- und Artenschutz mit eine der höchsten Formen der Spiritualität sind, weil wir natürlich das schützen, wo wir überhaupt die Möglichkeit haben Zugang zu uns zu gewinnen. Denn in Städten, in welchen es ganz viel Beton hat und wenig natürlich ist, ist es immer schwer Energien fliessen zu lassen, bei sich anzukommen, in Verbundenheit zu sein und je weniger wir natürliche Lebensräume auch für uns Menschen haben, desto herausfordernder wird es, diese Reise zurück zu uns selbst zu machen. Deswegen glaube ich, dass es eigentlich, wenn man mal verstanden hat, worum es geht, ganz natürlich ist, diese vielen Themen zu einem grossen Puzzle zusammenzusetzen, weil im Endeffekt sind wir alle eins und da gehört die Natur, die Tiere, wir Menschen dazu.

 

Das ist das, was ich auch so stark spüre. Wir sind nicht getrennt von der Natur. Wir sind Natur, wir sind Teil davon. Du hast auch das Wort «spiegeln» gebraucht, was ich so spannend finde, weil die Natur ja unser Spiegel ist. Alle Antworten, die wir suchen, sind da. Was wir uns selbst antun, tun wir der Natur an und was wir der Natur antun, tun wir uns selbst an. Das finde ich ein solch spannender Aspekt und ich glaube auch, dass es tatsächlich der Aspekt ist, der uns allen wieder bewusst werden muss.

 

Michi Schreiber mit Affe
© Michi Schreiber

Im Endeffekt ist die Natur ja unsere Mama. Klar, wir haben unsere biologische Mama oder unsere soziale Mama, je nach dem. Aber wenn wir eine Ebene nach oben gehen, sind wir eine gewisse Spezies, die zu den Primaten gehört, die zu einem Ökosystem gehört, das uns am Leben erhält. Und dieses Ökosystem ist die Natur. Es ist eigentlich egal, ob man sich für Naturschutz oder für Tiere interessiert. Selbst wenn man sich für Wirtschaft oder für Autos interessiert oder wenn man sagt, mit Tieren habe ich so gar nichts am Hut. Muss man auch gar nicht, aber man darf verstehen, dass wir ohne Natur und Tiere nicht überleben können. Die Natur ist halt einfach unser Lebensraum und egal, wie eng die Beziehung am Ende ist, sie sollte auf jeden Fall auf einer Ebene sein, wo man sie halt nicht zerstört und nicht kaputt macht. Denn im Endeffekt – und das ist meine ganz persönliche Meinung – retten wir die Erde für uns. Ich bin davon überzeugt, dass wenn wir so weitermachen, die Natur in drei-, vier-, fünfhundert Jahren wieder fein sein wird. Aber was ist mit uns? Mit uns Menschen, unseren Kindern, unseren Enkelkindern, die wir vielleicht haben. Darüber sollten wir uns Gedanken machen. Wir sehen, dass die Welt sich verändert, wir sehen, dass die Natur auch so intelligent ist, dass wir gar nicht begreifen können, welche Schutzmechanismen sie auffährt, wenn wir sie weiter ausbeuten. Aber wir sehen, dass es Konsequenzen hat und dementsprechend sage ich da auch immer: Wir schützen den Planeten eigentlich für uns und alles, was wir machen, tun wir im Endeffekt, damit wir überleben können, denn die Natur wird immer Wege finden, sich selbst wieder zu heilen. Und wenn wir so weitermachen, kann das auch bedeuten, dass der Mensch für eine gewisse Zeit keinen oder weniger Platz auf diesem Planeten bekommt.

 

Nutzen wir unser grosses Gehirn, um Teil des Ökosystems zu werden und nicht um uns davon abzuspalten.

Absolut. Womit ich mich auch immer wieder auseinandersetze, ist die Rolle von uns Menschen im Ökosystem. Weil jedes Tier, jede Pflanze hat so ganz klar ihren Platz, ihre Rolle. Sie sind auch alle miteinander verwoben und verbunden, oder? Was ist denn unser Platz? Denn uns Menschen «bräuchte» es ja eigentlich gar nicht in der Natur. Wir zerstören die Natur. Ich habe für mich so ungefähr meine vorläufige Antwort gefunden, weshalb wir hier sind. Hast du dir auch schon Gedanken darüber gemacht? Oder hast du da eine Antwort dazu? Wobei Antwort wahrscheinlich diesbezüglich ein grosses Wort ist.

 

Ja, ich glaube, ich sehe uns Menschen immer als ziemlich unwichtig an. (lacht) Da muss ich auch ganz erhlich sein. Ich meine, der Grossteil des Ökosystems sind ja schon einmal Pflanzen und ich denke mir immer: Gut, eigentlich sind wir Menschen richtig, richtig unwichtig. Das gibt mir mit meiner Arbeit auch immer Leichtigkeit, denn ich gebe mein Bestes und ich bin hier als der Mensch, der ich sein möchte und gleichzeitig habe ich dieses ganz grosse Vertrauen ins Ökosystem. Der Mensch ist eine Spezies von über 500 Primatenarten und Primaten sind ein so kleiner Teil im Bereich der Säugetiere, daneben haben wir zum Beispiel ja noch Fische und Amphibien, Reptilien, Vögel und dann haben wir noch Bakterien und die Pflanzen, die einen so grossen Teil ausmachen. Und dann kommt noch das ganze Universum… Ich denke mir dann immer: It’s all good, Michi, wir sind einfach nur Menschen. Und das ist so eine Perspektive, die für mich viel Leichtigkeit auch in schwere Themen reinbringt, weil ich mir immer denke, ich vertraue dem grossen Ganzen und auf der anderen Seite glaube ich, dass wir eine so intellektuell starke Spezies sind, also von dem her wie wir denken und Zusammenhänge erkennen, das ist ja schon einzigartig für die Spezies, die wir sind – und jede Spezies hat ihre Einzigartigkeit, das ist mir immer so wichtig. Ich finde nicht, dass wir Menschen dadurch besser oder schlechter sind als andere, es ist einfach die Einzigartigkeit, die wir haben, so wie gewisse Schlangen ein einzigartiges Gift haben. So wie gewisse Vögel eine einzigartige Flugtechnik haben, macht uns Primaten, und dann eben uns Menschen, das grosse Gehirn aus. Und ich glaube schon, dass wir durch diese besonderen Fähigkeiten auch eine Rolle im Ökosystem haben, die vielleicht ist, mehr zu erforschen, zu wachsen, neue Dinge zu erschaffen und auch zum Wandel des Planeten und des Universums beizutragen. Aber im Grossen und Ganzen ist unsere Rolle genau so wichtig, wie die von anderen Spezien und das wichtigste ist eigentlich, dass wir dabei nicht vergessen, dass wir Teil von dem sind, also dass wir diesen Wandel nicht für uns Menschen, sondern für die Natur und für das grosse Ganze vollziehen. Ich glaube, wenn wir Menschen verstehen würden, wofür wir diese Spezialfähigkeit bekommen haben und sie weise einsetzen würden, würden wir dann auch wieder ins Ökosystem passen und weniger gefährlich werden. Das würde ich mir von uns Menschen wünschen. Nutzen wir unser grosses Gehirn, um Teil des Ökosystems zu werden und nicht um uns davon abzuspalten.

 

Ich habe mir auch überlegt: Was ist unsere einzigartige Fähigkeit? Und wie du sagst, liegt da überhaupt keine Wertung drin, denn jede Spezies hat eine solche. Ich glaube auch, es ist dieses Erforschen und für mich kommt hier noch das Beobachten, das Staunen und das Wahrnehmen von dieser Magie unserer Welt und dieser wunderbaren Schönheit dazu. Vielleicht könnte der Schlüssel zu unserer Rolle sein, zu beobachten und zu schätzen, was wir hier haben. Diese Faszination eines kleinen Kindes, das die Welt neu entdeckt, verlieren wir leider. Aber sie ist etwas so Bereicherndes, wenn man das auch als erwachsener Mensch tut. Sobald man beginnt sich mit der Natur auf dieser Ebene auseinander zu setzen, entsteht ja auch eine Beziehung, eine Liebe zwischen uns. Ich habe mal irgendwo gelesen – das wurde zu meinem Kernsatz: Wir schützen das, was wir lieben. Und wir müssen die Natur wieder lieben, damit wir sie schützen.

 

Hundert Prozent! Und ich glaube, dass man das gar nicht nur auf das Thema Natur-, Arten-, Umwelt-, Klimaschutz übertragen kann, sondern eigentlich auf alle weltlichen, auch politischen Themen. Es ist halt sehr ein Kampf und eine Rivalität entstanden und ich glaube, dass die Biologie auch ihren Anteil dazu hat, weil in der Biologie reden wir halt immer über biologische Verhältnisse und übers Prädatorenverhältnis, also es gibt Ressourcen und Tiere kämpfen um Ressourcen, aber ein Aspekt, der überhaupt nicht berücksichtigt wird, den wir vor allen Dingen auch in der Pflanzenwelt finden, ist die gegenseitige Hilfe. Extrem viele Pflanzenarten können nur durch gegenseitige Hilfe überleben, viele Tierarten haben das aber auch. Und ich glaube, wir Menschen haben uns sehr auf diese Prädatorenverhältnisse fokussiert. Wenn wir aber ins ganz Grosse gehen, sehen wir, wie viele Arten eigentlich kooperieren, um zu existieren. Natürlich gibt es mal irgendwo ein bisschen Konkurrenz, das sieht man spätestens, wenn man zwei Kinder hat, aber nur ein Spielzeug (lacht). Das ist ja auch ok, aber zu verstehen, dass dieses Prädatorenverhältnis, dieses Gegeneinander, gar nicht das ist, was dieses Ökosystem ausmacht, sondern die gegenseitige Hilfe, das würde, glaube ich, auch nochmal das Verständnis dieser Welt verändern, weil es sind immer diese Geschichten, dieses Weltbild, das wir haben, das dann auch beeinflusst, wie wir miteinander und mit dem Planeten umgehen. Wir verehren ja auch hauptsächlich die grossen Tiere, die im Prädatorenverhältnis leben, aber wir hätten uns ja genau so gut andere Tiere aussuchen können. Es ist ganz süss: Es gibt eine Manguste und ein Nashornvogel und die arbeiten so gut zusammen. Manguste und Nashornvogel müssen nicht miteindander arbeiten, sie entscheiden sich aber dafür. Die Manguste jagt auf dem Boden und muss aufpassen. Dadurch dass sie durch hohe Gräser läuft, sieht sie nicht, wenn jemand kommt, der sie vielleicht essen würde. Und der Nashornvogel jagt Insekten, die aufgescheucht werden, wenn die Manguste durchs hohe Gras läuft. Und ohne sich zu verständigen, ist es ganz oft so, dass wir in der Natur sehen, dass Manguste und Nashornvogel – das ist ein Vogel und ein Säugetier, die sind so weit voneinander entfernt, wie die sich überhaupt irgendwie verständigen können, nobody knows! (lacht) – miteinander arbeiten. Die Manguste jagt, der Nashornvogel frisst die Insekten und warnt aber auch die Manguste, wenn andere Prädatoren kommen. Sie müssen nicht zusammenarbeiten, sie sind auch nicht aufeinander angewiesen, aber sie entscheiden sich dazu. Ich glaube, wenn wir anfangen, diese Geschichten zu erzählen, die es zu Hauf in der Tierwelt, in der Pflanzenwelt gibt, verändert das auch unser Verständnis von Ressourcen. Wir sehen, Tiere können zusammenarbeiten, um zu überleben. Pflanzen arbeiten zusammen, um zu überleben. Wie wär’s denn, wenn Menschen auch zusammenarbeiten, um zu überleben? Die Geschichten und die Erkenntnisse der Biologie, der Verhaltensforschung, die es in den letzten Jahren in die breite Masse geschafft haben, waren halt immer andere und die haben unser Verständnis von uns Menschen geprägt, unserem Zusammenleben geprägt und ich glaube, wenn wir beginnen, neue Geschichten zu erzählen, andere Erkenntnisse zu teilen, können wir im Frieden sein mit uns, mit der Natur, den Tieren, aber auch auf höherer Ebene mit vielen Dingen. Wir müssen nicht alle gleich sein, wir können einander aber trotzdem in der Andersartigkeit unterstützen.


Michi Schreiber bei den Affen
© Michi Schreiber

Wow, welch schönes Beispiel! Du hast ja auch einen Podcast, welcher «artgerecht leben» heisst, wo du solche Geschichten teilst aus der Natur, aus der Tierwelt, die man dann auf sein eigenes Leben übersetzen kann – was ich übrigens mega schön finde! Was durftest du in letzter Zeit sonst noch von einem Wesen aus der Natur, sei dies nun ein Tier, eine Pflanze, für dein Leben mitnehmen?

 

Tatsächlich ist die Ebene, mit der ich mich gerade viel befasse, die Pflanzen. Klar, mit Primaten, Affen, befasse ich mich immer, aber ich versuche noch ein Stück tiefer zu gehen und Pflanzen besser zu verstehen, denn das ist mein grosses Wissensdefizit. (lacht) Mir ist bewusst geworden: Hey Michi, du möchtest den Planeten mehr verstehen und lässt 70% der Landbiomasse aussen vor. Das ist schon viel! (lacht) Darum befasse ich mich gerade viel mit der Bedeutung von Pflanzen und werde da auch immer faszinierter, was die Pflanzenwelt angeht. Ich dachte ganz lang, dass ich doch total der Tiermensch bin, doch ich stelle immer mehr und mehr fest, dass ich einfach total der Naturmensch bin. Ich glaube, die schönste Erkenntnis, das schönste Beispiel, war für mich aus einer Studie, die ich über Pflanzen gelesen habe, bei der tatsächlich auch dieses gegenseitige Hilfe-Konzept vorkommt. Denn in Australien gab es zwei Forscher, die in einem Gebiet geforscht haben, in dem immer wieder Bäume gefällt wurden. Da war ein gefällter Baum. Es stand nur noch der Stumpf. Dieser Baum wurde vor etwa 60 Jahren gefällt und hat noch gelebt. Normalerweise ist das nicht möglich, weil Bäume natürlich über die Blätter Fotosynthese betreiben und auch Wasser durch den Stamm zu den Blättern hochziehen. Das heisst, wenn die Krone weg ist, ist ein Baum eigentlich nicht überlebensfähig. Diese Forscher haben sich dann gefragt: Wie hat dieser Baum es geschafft, 60 Jahre lang zu überleben? Er war ja nur noch dieser Stumpf und dieser ist weiter gewachsen in die Breite, hat weitere Jahresringe bekommen. Wie zur Hölle hat er das geschafft? Man hat dann einfach über das Wurzelwerk festgestellt, dass Bäume über die Wurzeln miteinander verbunden sind. Man hat nicht nur einen Wert für die anderen Bäume, wenn man leistet oder auch Fotosynthese betreibt, sondern auch durch den Halt, den man in die Gruppe einbringt. Dieser Baumstumpf hat dieses Wurzelwerk weiterhin erweitert. Er hat für Verbindung zwischen verschiedenen Bäumen gesorgt und wurde deswegen von den anderen Bäumen auch als Teil am Leben erhalten. Wenn wir das betrachten und dadurch auch die Perspektive verändern, auf uns Menschen, auch in der Gesellschaft, auch auf ältere Menschen, Tiere und Kinder, merken wir, dass es gar nicht darum geht, wer wie viel leisten kann, sondern dass jede:r seinen individuellen Beitrag hat. Da können wir so unfassbar viel lernen, denn es geht im Endeffekt nicht ums Leisten, es geht ums Wirken: Was kann jeder einzelne Mensch bewirken? Und da kann jede:r etwas beitragen. Wir müssen für Integration sorgen und jede:n in die Mitte unserer Gesellschaft holen, ein ganz buntes Wurzelwerk aus Menschen werden, in dem jede:r dazugehört.

 

Das berührt mich so sehr. Ich weiss auch, dass Bäume ihre Kinder ernähren. Über die Wurzeln ist der Mutterbaum mit seinen Kindern verbunden. Oder Bäume unterstützen einander auch, indem sie Botenstoffe, die Terpene, aussenden. Sie sagen den anderen Bäumen: Hey Achtung, hier ist gerade der Borkenkäfer unterwegs! Sie helfen einander, was ich so, so schön finde.

 

Wir dürfen wieder erkennen, dass Bäume Lebewesen sind und betrachten, wie wir mit ihnen umgehen. Ich denke, wir dürfen lernen, andere Geschichten über die Natur zu erzählen und dann unsere Verhaltensweisen an diese Geschichten anzupassen. Hoffentlich mit mehr Respekt, Demut, Dankbarkeit dem gegenüber zu treten, was da draussen ist. Und wie gesagt: Meine Begeisterung für die Pflanzenwelt ist in den letzen Monaten exorbitant in die Höhe geschossen. (lacht)

 

So cool! Ich habe ein paar Fragen, die ich meinen Gäst:innen immer frage zum Schluss und bei dir dachte ich, dass ich die Frage vielleicht abändern muss, aber das muss ich jetzt gar nicht. Denn die Frage ist: Was ist im Moment deine Lieblingspflanze und warum?

 

Meine Lieblingspflanze ist das Gänseblümchen, weil es mit den längsten Blützyklus hat. Gänseblümchen sind die Pflanzen, die im Jahr recht früh kommen und sich recht lange halten, auch bis in den Winterzyklus hinein. Es sind sehr widerstandsfähige Pflanzen und ich finde, Gänseblümchen sind so ein bisschen die Alltagshelden. Jeder will die grosse, strahlende, schöne Rose sein, etwas ganz besonderes. Ich glaube, wenn wir wieder einen Blick auf unsere Alltagshelden und unsere Gänseblümchen bekommen, dass sich viel mehr Menschen wieder wertvoll, geschätzt und gesehen fühlen. Es gibt so viele Gänseblümchen und ich freue mich wahnsinnig darüber. Ich kann da auch ein ganz tolles Buch empfehlen, wenn ich darf. Das heisst «Grounded – Der Leitfaden für ein geerdetes Leben im Rhythmus der Jahreszeiten» von Rebecca Lina. Da geht es unter anderem auch darum, was man mit Gänseblümchen alles Tolles machen kann. Ja, Gänseblümchen. 150% Gänseblümchen. (lacht)

 

Wie schön! Wenn du für dich in der Natur unterwegs bist, gibt es eine Praxis, ein Ritual, eine Übung, die du für dich machst?

 

Eigentlich gar nichts und das bewusst. Mittlerweile bin ich, glaube ich, sehr angebunden und wenn ich in die Natur gehe, habe ich das Gefühl viel mehr bei mir anzukommen. Ich beobachte gerne, ich berühre zum Teil gerne Dinge – Tiere bitte nicht berühren! Aber was ich gerne mache, ist manchmal die verschiedenen Rinden anzufassen. Die sind ja so unterschiedlich von ihrer Tiefe, vom Gefühl, von der Art her. Und einfach zu erfahren. Ich glaube, darum geht’s, weil die digitale Welt beansprucht uns vom Kopf her sehr doll. Die Erfahrungswelt wird dabei extrem eingeschränkt. Wenn ich zurück in die Natur gehe, geht’s für mich einfach ums Erfahren mit allen Sinnen. Wie atmet sich diese Luft ein, die häufig ja so viel schöner ist im Wald? Was höre ich, was sehe ich? Was kann ich erfahren? Wenn Menschen damit beginnen wollen, ist es immer ganz schön, sich mit den Sinnen im Wald zu verbinden: Was sind 5 Dinge, die ich gerade sehe? Was sind 4 Dinge, die ich höre? 3 Dinge, die ich spüre? 2 Dinge, die ich rieche? Eine Sache, die ich vielleicht schmecken kann? So kommt man wieder in dieses Erfahren mit allen Sinnen, denn das beruhigt uns auch. Für mich ist Natur ein extremer Stressabbau. Ich gehe mit meinem Mann viel hier in Deutschland im Wald wandern. Dazu möchte ich auch sagen, dass wir überall eine schöne Natur haben und die heimischen deutschen Wälder können genau so mit der südafrikanischen Steppe mithalten. Ich kann von beiden gleich fasziniert sein, weil die Natur eigentlich einfach das schönste ist, was wir auf diesem Planeten haben. Manchmal bin ich so ein bisschen ängstlich, wenn ich so viel Werbung für die Natur mache und denke, wie gut es ist, dass ich bis jetzt fast immer alleine im Wald bin. (lacht) Aber gleichzeitig habe ich die Hoffnung, dass wir dadurch auch wieder mehr Naturräume schaffen und mehr Menschen diese Magie und diesen Wert der Natur erkennen und dadurch auch bewahren.

 

So wie wir mit der Natur sind, so sind wir auch mit uns Mitmenschen.

Um da anzuschliessen und das Gespräch abzuschliessen: Was wünschst du dir für die Natur, für die Welt, für die Tiere?

 

Ich wünsche mir eigentlich primär, dass sich die Perspektive der Menschen auf die Natur und die Tiere verändert und dass wir raus aus einer egozentrischen Perspektive kommen, auch im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung, in der der Wert des Menschen auch so häufig über alles gestellt wird, je nach dem mit welchen Lehren oder Ansätzen man sich befasst. Eine bodenständige Perspektive von uns Menschen als gleichwertiger Teil dieses Ökosystems und dann würde sich wahnsinnig viel verändern, weil gerade stellen wir uns über andere, wir sind dermassen grenzüberschreitend mit der Natur, mit den Tieren, mit den Ressourcen und so gehen wir auch im zwischenmenschlichen miteinander um. So wie wir mit der Natur sind, so sind wir auch mit unseren Mitmenschen. Ich glaube die Perspektive der Menschen kann ganz, ganz viel verändern. Nicht weil wir so besonders sind, sondern weil wir die Spezies sind, die am allermeisten ihren Platz verloren hat und wenn wir den wiederfinden, dann habe ich die Hoffnung, dass sich ganz viel verändert, auch für die Pflanzen, auch für die Tiere, weil es dann wieder ein Ökosystem der Wertschätzung ist und nicht der Ausbeutung.

 

Wow ja, sehr schön! Ich danke dir von Herzen für diese Worte und deine Arbeit!

 

 

Michi ist vielfältig unterwegs: Unter anderem schreibt sie Bücher, hat einen Tierschutzverein, bietet Coaching-Kurse fürs Auswildern von dir selbst an und hat einen Podcast. Du findest ihre Arbeit auf ihrer Homepage und auf Instagram. Schau unbedingt bei ihr rein!

Michi Schreiber mit ihrem Buch
© Michi Schreiber



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Ich bin auch Yoga Lehrerin und führe Rituale und Retreats in der Natur durch. Vielleicht sehen wir uns mal auf der Matte?

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